Gilt Indien zu Recht als ein Beispiel für das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionsgemeinschaften in einem säkularen Staat?
Die Konvertierung von ganzen Dörfern oder Kasten ist nur ein Beispiel dafür, dass Religionsgruppen sich auch als Konkurrenten gegenüber stehen können. Ein zunehmender Fundamentalismus ist in allen Religionen zu beobachten. Fundamentalistische Gruppierungen wollen die Gesellschaft kompromisslos nach ihren Glaubensgrundsätzen formen.
„Jetzt, wo es in Indien geographisch so eng geworden ist, können all diese Gruppen nicht mehr nebeneinander leben, sondern müssen Wege finden, miteinander auszukommen.“

„Einen größeren Gegensatz kann man sich kaum indisches Wandgemälde vorstellen: Während der monotheistische Islam auf die bildliche Darstellung von Gott und den Menschen verzichtet, lebt der Hinduismus von der bildreichen Darstellung der vielfältigen Götterwelt. Darum ist das Zusammenleben der beiden Religionen nie leicht gewesen. Über die Jahrhunderte haben sie jedoch voneinander gelernt und auch kulturelle Gemeinsamkeiten entdeckt und entwickelt.“ Dieses Zitat bezieht sich auf das Aufeinandertreffen von Islam und Hinduismus. Ein negatives Beispiel dafür ist der Kaschmir-Konflikt, der sich seit den späten 1980er Jahren zugespitzt hat. Mit dem Eintreten der Unabhängigkeit von den britischen Kolonialmächten mussten sich Indien und Pakistan mit der Aufteilung Kaschmirs auseinander setzten. Aufgrund dessen, dass Kaschmir von Indien besetzt war, entschloss sich der Maharadscha (indischer Herrschertitel) Kaschmirs für Indien. Dieses war Auslöser einer gegenseitigen Kriegserklärung beider Länder. Das überwiegend muslimisch geprägte Kaschmir Kaschmir Karte setzt sich seitdem, teilweise gewalttätig, für die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Pakistan ein.
Die Hetzjagd von hinduistischen Faschisten auf überwiegend christliche Dalits (Kastenlose, Unberührbare) im indischen Bundesstaat Orissa ist ein weiteres gravierendes Beispiel, wie sich verschiedene Religionsgemeinschaften gegenübertreten. Die Ermordung des Hindufanatikers Saraswati Lakshmanananda, welcher sich unter anderem durch Zwangsbekehrungen dafür einsetzte, dass jeder Inder auch Hindu sein müsse, war Auslöser der Ausschreitungen. Jedoch ist auszuschließen, dass durch Christinnen die Anschläge hervorgerufen worden sind, da sich die verbotene kommunistisch-maoistische Partei Indiens bereits zu den Anschlägen bekannte.

Die Registrierung von christlichen Dalits als „Tribals“ (Stammesleute einer Naturreligion angehörend) stelle einen Versuch dar, Reservierungen an Schulen, Universitäten oder indisches Haus in Behörden für Hinduisten und Tribals zu bekommen. „Letzten Endes ist es ein Kampf um Würde, aber auch um Arbeit, Schul- und Studienplätze für die Kinder, Gesundheitsversorgung, dies sind schlichte Grundsätze in einer modernen Gesellschaft.“ Diese Art und Weise verstärkte die Spannung zwischen der alten hinduistischen Gesellschaftsstruktur und den Christen.
Die Folgen sind schwerwiegend: allein in Orissa wurden ca. 300 Dörfer, 5000 Häuser und über 140 Kirchen zerstört, sowie mehr als 50 Menschen getötet. „Es dürfte sich um die gravierendsten Ausschreitungen gegen Christen seit der Unabhängigkeit Indiens handeln.“ Viele arme geflüchtete Christinnen und Christen leben inzwischen im Dschungel und ihre Rückkehr in ihre Heimat ist ungewiss.
Neben den Ausschreitungen in Orissa ist es unter anderem zu brutalen Gewalttaten gegen Christen in Karnataka, Kerala und anderen Teilen Indiens gekommen.
„…, aber man kann darin auch eine Aufforderung sehen, sich dem Glauben anderer nicht so zu nähren, dass man ihn für unwahr erklärt und die Menschen zur Bekehrung aufruft. Hier kann die Kirche Konflikte entschärfen oder vermeiden, indem sie über ihre Missionsmethoden nachdenkt.“